Postulat der absoluten welt

Diplomschau 2019 in der Galerie in der Dechanatstraße Bremen


Öl und Acryl auf Leinwand und Holz, 370x620x635cm, 2019


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Postulat der absoluten Welt

Die Anschauungen über Raum und Zeit, die ich Ihnen entwickeln möchte, sind auf experimentell-physikalischem Boden erwachsen. Darin liegt ihre Stärke. Ihre Tendenz ist eine radikale. Von Stund an sollen Raum für sich und Zeit für sich völlig zu Schatten herabsinken und nur noch eine Art Union der beiden soll Selbständigkeit bewahren. (Herrmann Minkowski, 1908)

Ich baue Raum. Raum, der von einem Raum beherbergt wird. Raum, der zur Landschaft wird, aus Malerei besteht. Und aus Holz.

Baue ich nun also auch Zeit? Ist die Zeit der Moment - das Moment, das aus Malerei Skulptur werden lässt? Leinwände ragen in den Raum, verlassen ihre Keilrahmen. Gerade dieses Moment birgt die Spannung die ich in meinen Arbeiten untersuche. Malerei im Raum - Malerei als Raum.

Die Malerei ist abstrakt, suggeriert Räumlichkeit und zerstört sie, ist flächenhaft, skizzenhaft, überlagert, überladen, übergreifend – auf die Wand, die Konstruktion.

Diese Bilder zeigen nicht ein Objekt aus verschiedenen Perspektiven simultan wie im Kubismus (einer Bewegung, die zeitgleich mit Einsteins und Minkowskis Physik stattfand), sondern splittert vielmehr die Malerei selbst auf, mit ihren Komponenten wie Fläche, Linie, Farbe, Ebene etc. und fügt sie in einem unvorstellbaren Chaos zusammen. Sie zeigen einerseits die Erweiterung des Vorstellungsvermögens durch die abstrakte Kunst, sowie die Unfähigkeit diesen Raum tatsächlich greifen zu können. Dabei werden Linien, Flächen und illusionistische Räumlichkeit scheinbar dekonstruiert und neu interpretiert.

Leinwände werden bemalt und zerschnitten, in einer neuen Komposition zusammengefügt. So greifen die klassischen, rechteckigen Tafelbilder auf ihre Umgebung über und befreien sich somit von ihren Einschränkungen, die für das Unvermögen der Vorstellungskraft stehen.

Minkowski schrieb in seiner Rede:
Die ganze Welt erscheint aufgelöst in solche Weltlinien...

...So wie auch meine Bilder aufgelößt sind in Linien. Sie erlauben keinen Stillstand - das Auge darf nicht zu lange ruhen. Von Kompositionslinien zum Nystagmus gezwungen, soll das Gleichgewicht der Betrachter/innen ausgehebelt werden, ihre Weltanschauung soll schwanken, sie sollen aus ihrer Gewohnheit verrückt werden.

Die Linien finden sich auch in der Holzkonstruktion, die zeigt, wie ein einfaches Konstrukt aus Linien zu einem raumeinnehmenden Objekt werden kann. Sie sind Landschaftsmodellierend. Eine Landschaft fern ab von der wahrnehmbaren Natur. Eine Landschaft, die zum umschreiten einlädt, mit Tälern und Höhlungen; die Einblicke eröffnet; Durchblicke - ohne Durchblick zu verschaffen, ohne Verständnis zu bringen. Eher noch: weiter verwirren. Bei jeder Bewegung ändert sich das Bild: Es entstehen neue Zusammenhänge, andere Überlagerungen von Vorder- und Rückansichten. Die impliziten Betrachter/innen gehen weiter und gelangen hinter die Bilder, befinden sich plötzlich im Bild und schauen heraus.

Ein Postulat ist ein Ausgangspunkt, eine unentbehrliche Voraussetzung einer Theorie, eine unbeweisbare These. Minkowski verspricht die absolute Gültigkeit seines Weltpostulats. Ich verspreche nichts, als einen Anstoß.